Etwa doppelt so viele Frauen wie Männer sind von einer Zöliakie betroffen. Was sollten Patientinnen mit Kinderwunsch beachten? Wirkt sich die Erkrankung auf Fruchtbarkeit, Empfängnis und Schwangerschaft aus? Untersuchungen zeigen: Eine gute diätetische Einstellung mit konsequent glutenfreier Ernährung und eine ausgewogene Nährstoffversorgung sind die besten Voraussetzungen für einen gesunden Start in die Schwangerschaft. Aber auch bei Männern mit Zöliakie und Kinderwunsch ist es wichtig, die Erkrankung rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Studienlage uneinheitlich
Dr. Stephanie Baas, fachmedizinische Beraterin der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG), fasste in der „DZG Aktuell 03/2021“ wichtige Fakten in Bezug auf Frauen mit Zöliakie und Kinderwunsch zusammen.
Viele Veröffentlichungen beschreiben unterschiedliche gynäkologische Symptome durch eine Zöliakie. Wie es zu diesen kommt, ist noch unklar. Diskutiert werden ein möglicher Mangel an Nährstoffen durch die Schädigung der Schleimhaut im Zwölffingerdarm. Eine direkte Einwirkung der Gewebstransglutaminase-Antikörper an der Plazenta könnte diese schädigen und in der Folge zu Fehl- oder Frühgeburten führen.
Manche Studien lassen vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen Zöliakie und Unfruchtbarkeit gibt. Das heißt, Frauen mit Zöliakie erlebten im Vergleich zu Frauen ohne die Erkrankung weniger Geburten – aber besonders vor Erhalt der Diagnose und dann, wenn die Zöliakie diätetisch (noch) nicht eingestellt war. Nach Ernährungsumstellung auf glutenfreie Kost gab es keine Unterschiede bei Frauen mit und ohne Zöliakie hinsichtlich der Anzahl der Geburten.
Das Thema Fehlgeburt wurde in zahlreichen Studien untersucht. Hier zeigt sich ein etwa 6- bis 9-fach erhöhtes Risiko, wenn die Zöliakie nicht diätetisch behandelt ist. Die gute Nachricht auch hier: Unter glutenfreier Ernährung verliefen Schwangerschaften normal.
Erfreulich auch die Untersuchungen weiterer Schwangerschaftskomplikationen: Daten zeigten kein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie und keine eindeutigen Belege für ein erhöhtes Risiko von Totgeburten oder Blutungen nach der Entbindung. Allerdings zeigte sich ein erhöhtes Risiko für eine intrauterine Wachstumsverzögerung und einer möglichen Frühgeburt, so lange noch keine glutenfreie Ernährung begonnen wurde.
Fehlbildungen am Kind?
Zöliakie geht häufig mit einem Folsäuremangel einher, der zu einer Fehlbildung am Rückenmark (Spina bifida) führen kann. In Studien wurden bislang keine eindeutigen Belege gefunden, dass dies bei Kindern von Frauen mit Zöliakie tatsächlich häufiger der Fall ist. In einer Studie (2021) an über 2 Millionen Kindern, unter denen 2.200 Mütter eine Zöliakie hatten, fand sich eine geringe Erhöhung an Veränderungen von Herz und ableitenden Harnwegen. Die Herzfehler traten vor allem bei Kindern von Frauen auf, die aufgrund ihrer Zöliakie häufiger im Krankenhaus waren, also vermutlich einen komplikationsreicheren Verlauf hatten oder erst nach der Geburt des Kindes die Diagnose Zöliakie erhielten und somit noch gar nicht behandelt waren. Generell, so Baas, sei zu berücksichtigen, dass für solche Veränderungen in großen Bevölkerungsstudien nicht immer ein Zusammenhang nachweisbar sei, auch wenn er vorhanden ist.
Sie empfiehlt, dass neben den bekannten Risikogruppen wie Verwandte 1. Grades von Zöliakie-Betroffenen auch Frauen mit wiederholten Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit oder einem Kind mit einer intrauterinen Wachstumsverzögerung auf Zöliakie untersucht werden sollen, wenn sich dafür jeweils keine Ursache finden lässt. Frauenärztinnen und Frauenärzte sollten dafür sensibilisiert werden.
Besteht ein Zöliakie-Verdacht bei einer Schwangeren, sollte ein Antikörpertest über die Gewebstransglutaminase-Antikörper durchgeführt werden. Eine Magenspiegelung mit Biopsie kommt eher nicht infrage, um das Kind möglichst wenig zu belasten. Um Komplikationen durch eine unbehandelte Zöliakie zu vermeiden, sollte die Schwangere bei dringendem Verdacht aufgrund erhöhter Antikörper mit der glutenfreien Ernährung beginnen und die Diagnostik nach der Geburt durch eine Glutenbelastung vervollständigt werden.
Schwangerschaft nach Zöliakie-Diagnose
Bislang gibt es keine abgesicherten Handlungsempfehlungen für Frauen mit Zöliakie und Kinderwunsch. Ist die Diagnose schon länger bekannt und die Betroffene diätetisch gut eingestellt, kann mit einer normalen Empfängnis und einem normalen Schwangerschaftsverlauf gerechnet werden. Schwieriger ist es, wenn eine Frau noch nicht oder erst vor kurzem diagnostiziert wurde und die Ernährungstherapie noch nicht (lange genug) greift. Dies kann einen ungünstigen Effekt auf die Schwangerschaft haben.
Unklar ist, welche Zeit nach dem Diätbeginn optimal ist, um schwanger zu werden und ob man Antikörper im Normbereich oder auch eine regenerierte Schleimhaut per Biopsiekontrolle zu Grunde legen sollte.
Um möglichst gute Voraussetzungen für eine Schwangerschaft zu schaffen, sollten Frauen mit Zöliakie und Kinderwunsch
- die glutenfreie Ernährung konsequent einhalten
- bei geplanter Schwangerschaft vor der Empfängnis ihren Vitamin- und Mineralstoffstaus ärztlich überprüfen lassen
- sich mit Fragen und Problemen an eine qualifizierte, auf Zöliakie spezialisierte Ernährungsfachkraft wenden und bei Bedarf den Ernährungsstatus optimieren.
Vor allem bei Risikopatientinnen wäre eine enge Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen, Gastroenterologen, Hausärzten und Ernährungstherapeuten wünschenswert, damit sich die Betroffenen gut aufgehoben fühlen und optimal begleitet werden.
Männer mit Zöliakie und Kinderwunsch
Wie sieht es bei Männern mit Zöliakie und Kinderwunsch aus? Darüber wird weniger gesprochen und geschrieben, obwohl schon lange durch Studien bekannt ist, dass es auch hier Zusammenhänge gibt. Männer mit unbehandelter Zöliakie wiesen u.a. Störungen im Hormonhaushalt (endokrine Dysfunktion) und eine verminderte Qualität der Spermien auf.
Eine Studie (2001) zeigte: Säuglinge von Zöliakie-Müttern wogen 222 g, Säuglinge von Zöliakie-Vätern 266 g weniger als im Bevölkerungsdurchschnitt. Das Risiko eines Kindes mit niedrigem Geburtsgewicht war bei Zöliakie-Vätern deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung (11% gegenüber 2,5%).
Es liegt auf der Hand, dass eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung der Zöliakie auch bei Männern mit Kinderwunsch wichtig ist.
Weitere Infos:
Baas Stephanie: Zöliakie und Schwangerschaft, DZG aktuell 03 2021
Coeliac disease and obstetric and gynaecological disorders: where are we now? (2019)
Coeliac disease and risk of birth defects in pregnancy (2021)
Celiac Disease and Reproductive Health (2009)
The father figure in coeliac disease (2001)
Qualifizierte Ernährungstherapie und -beratung:
Tipp: Bei der Suche vorab erfragen, ob die Ernährungsfachkraft bzw. der Ernährungsmediziner auf Zöliakie und andere Lebensmittelunverträglichkeiten spezialisiert ist. Das kann man nicht generell voraussetzen.
VDOE – BerufsVerband Oecotrophologie e.V.
QUETHEB – Deutsche Gesellschaft der qualifizierten Ernährungstherapeuten und Ernährungsberater e. V.
VDD – Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband e. V.
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