Mehr Gemüse, weniger Fleisch und Milch?

Die Ernährung der Zukunft verhandeln

Was kommt in Zukunft auf unsere Teller? Wie „soll“ unsere Ernährung aussehen – oder ist es egal? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Klar ist: Es bewegt sich etwas in den Köpfen, und es kommt nicht mehr alles in die Tüte. So wie bisher können wir nicht länger mit Ressourcen, Landschaften und Tieren umgehen. An einer pflanzenbetonten Ernährung führe kein Weg vorbei, sagen Forscherinnen und Forscher. Hanna Helander etwa untersuchte, wie sich verschiedene Ernährungsstile auf die Umwelt auswirken. Link zu einem Artikel der Uni Freiburg

Die Ergebnisse zeigen, dass eine milcharme, vegetarische Ernährung besonders effektiv wäre, um den Biomasse-Fußabdruck bis zu 61 Prozent und den Ackerland-Fußabdruck bis zu 48 Prozent zu verringern. Die Halbierung der Lebensmittelabfälle hätte eine Einsparung der Biomasse- und Ackerland-Fußabdrücke von 11 Prozent respektive 15 Prozent zur Folge. „Zwar ließen sich mit einer vegetarischen Ernährung fast die Hälfte der Flächen für die Lebensmittelproduktion einsparen, der Einfluss auf das blaue Wasser wäre aber leider gering. Um diesen Verbrauch zu senken, wäre es hilfreicher, Lebensmittelabfälle zu reduzieren“, sagt Helander.

Die Studie zeigt auch, dass eine pflanzenbasierte Ernährung trotz verringerter Fußabdrücke zu mehr Lebensmittelabfällen führen kann. Politische Strategien, die sowohl den Fußabdruck des Lebensmittelkonsums als auch die Lebensmittelverschwendung minimieren wollen, können also widersprüchlich sein. So wird es in Zukunft darauf ankommen, die Reduktionspotenziale aller verfügbaren Strategien auszuschöpfen und gleichzeitig die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Strategien zu berücksichtigen.

Insgesamt besteht noch reichlich Forschungs- und Abstimmungsbedarf. Denn Forschungsergebnisse und die Interessen verschiedener Akteure, Regionen und Länder sind unterschiedlich, oft sogar gegensätzlich. Das betrifft auch das Ernährungsverhalten. Wenn viele Deutsche heute bewusst weniger oder gar kein Fleisch mehr essen, bedeutet das noch lange nicht, dass die Menschen in anderen Ländern sich ebenso verhalten werden. Im Gegenteil: Gerade in Schwellen- und früheren „Entwicklungsländern“ ist der Hunger nach tierischen Produkten groß. Steht es „uns“, die wir jahrzehntelang reichlich Fleisch, Wurst und Milchprodukte verzehrt haben, heute an, den moralischen Zeigefinger gegenüber Menschen zu erheben, die erst neuerdings mehr von diesen Produkten auf dem Speisezettel haben?

Auch innerhalb unserer Gesellschaft sind die Standpunkte unterschiedlich. Während in manchen (eher privilegierten) Bevölkerungsgruppen pflanzenbasierte und/oder vegetarische Ernährung hoch im Kurs stehen, haben Fleisch- und Wurstwaren in anderen Bevölkerungsgruppen oft ein besseres Ansehen. Traditionell galten und gelten Fleischwaren als Zeichen für Wohlstand und als Kraftspender. Auch Bezugsgruppen (peer groups) und das Bedürfnis nach Teilhabe spielen hier eine Rolle. Akteure der Ernährungskommunikation gehen hier am besten sensibel vor und nicht mit der Brechstange. Dr. Gesa Maschkowski hat in diesem Zusammenhang eine interessante wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Ernährungskommunikation – alltagstauglich, salutogen und transformativ – Drei Fallstudien zu Ernährungspraxis und -umfeld von Familien“ verfasst.

Es bleibt spannend bei der Frage, wie die Ernährung der Zukunft aussehen wird und wie die verschiedenen Interessengruppen miteinander kommunizieren werden. Es ist ein langer Weg bis zu einer Ernährungsweise, die uns und unserem Planeten gut tut und von möglichst vielen umgesetzt wird. Aber er lohnt sich – auch, wenn es die perfekte und für alle gültige Lösung vermutlich nicht geben wird. Künftig wird es immer mehr darauf ankommen, unterschiedliche Bedürfnisse und Ansichten zu verhandeln, im Gespräch zu bleiben. Denn letztlich geht es ja um viel mehr als Essen und Trinken.

Veranstaltungstipp:

„Gemeinsam nachhaltig ernähren – Strategien und Akteure einer pflanzenbetonten Zukunft“ (22. Juni 22 von 14:00-17:00 Uhr) im Kontext des Nationalen Dialogs zu Ernährungssystemen. Link zum Veranstaltungshinweis

© Jenny Sturm/stock.adobe.com

 

 

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