Wäre es nicht wunderbar, wenn Zöliakie-Betroffene künftig ein Medikament erhalten könnten, das die schädigende Wirkung des Glutens im Darm abschwächt oder hemmt? Das es ihnen erlaubt, die Zügel der glutenfreien Diät etwas zu lockern und wenigstens zu besonderen Anlässen auch mal glutenhaltige Nahrung aufzunehmen? Ein Stück „normales“ Brot, eine Pizza zu essen oder ein Bier zu trinken? Jede/r Betroffene und Angehörige weiß, welche Entlastung das mit sich bringen würde. Die aktuelle Forschung lässt vermuten, dass es bald Wirklichkeit wird.
Was wurde bisher erreicht?
Ein Forscherteam hat einen neuartigen medikamentösen Wirkstoff zur Behandlung der Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) entwickelt: Den Transglutaminase-Hemmer ZED1227. Im Rahmen einer klinischen Phase 2a-Studie haben Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz gemeinsam mit internationalen Kollegen gezeigt, dass ZED1227 eine starke schützende Wirkung auf die Dünndarmschleimhaut hat und die Entzündung, Erkrankungssymptome sowie die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Damit ist ZED1227 das erste Zöliakie-Medikament, für das eine klinische Wirksamkeit belegt werden konnte. Mehr zur Untersuchung: Pressemeldung: „Durchbruch für die Behandlung der Zöliakie“
Was ist Zöliakie?
Zöliakie ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Dünndarms. Weltweit ist nahezu ein Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Diese Autoimmunerkrankung wird durch den Verzehr des in verschiedenen Getreiden wie Weizen, Roggen, Gerste, (Hafer) und Dinkel enthaltenen Klebereiweißes Gluten verursacht. Bei der Erkrankung können unterschiedliche Symptome, beispielsweise Durchfall oder Bauchschmerzen, aber auch vielfältige Symptome außerhalb des Darms, inklusive verschiedener Autoimmunerkrankungen, auftreten.
Der Leidensdruck der Betroffenen ist hoch. Bereits kleinste Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel können Entzündung der Dünndarmschleimhaut und dadurch Beschwerden auslösen. Halten solche Entzündungen länger an, bilden sich die Zotten (Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut) zurück. In der Folge können die Betroffenen weniger Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen. Unbehandelt kann die Zöliakie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Blutarmut, Knochenschwund, Wachstumsverzögerungen, Unfruchtbarkeit oder gar Dünndarmtumoren führen. Eine hohe Dunkelziffer wird vermutet und häufig dauert es Jahre, bis die Erkrankung medizinisch diagnostiziert wird. In den vergangenen Jahren haben sich das Wissen über und die Sensibilität gegenüber der Erkrankung insgesamt verbessert.
Es gibt unterschiedliche Ausprägungen, und die Betroffenen haben keinesfalls einen „Spleen“ oder folgen einer „Mode“. Dass manche Menschen Gluten aus unterschiedlichen Gründen freiwillig meiden, steht auf einem anderen Blatt. Zöliakie-Betroffene haben keine Wahl: Nach bisherigem Forschungsstand hilft nur eine lebenslange glutenfreie Ernährung, die sehr einschneidend ist. Welche Formen von Zöliakie es gibt, wie sie diagnostiziert wird, worauf zu achten ist, wenn man die Diagnose erhalten hat und welche Hilfen es gibt, kann man zum Beispiel auf den Seiten der Deutschen Zöliakie Gesellschaft erfahren: DZG
Wie geht es weiter?
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse der Phase-2a-Studie ist ab Herbst 2021 eine größere Phase-2b-Folgestudie mit einer besonders belasteten Patientengruppe geplant, die nicht auf die glutenfreie Diät anspricht. Sollten auch diese Patienten von dem Wirkstoff profitieren, sich die bisherigen Untersuchungsergebnisse an weiteren Patienten bestätigen und das Medikament auch in der breiten Praxis erfolgreich sein, dann würde man wohl von einem echten Durchbruch sprechen. Für Betroffene könnte das bedeuten: Eine bessere Lebensqualität und einen unbeschwerteren Alltag.
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